40 Jahre Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden

Zu einer großen Jubiläumsfeier in der Jugendherberge in Freiburg hatte die Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden anlässlich ihres vierzigjähriges Bestehen eingeladen. Der frühere Beauftragte für Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistende, Diakon Kurt Kern blickte zurück auf die Entstehungszeit der Werkstatt. Er gehörte zusammen mit seinem Kollegen Theodor Ziegler zu den damaligen Gründern. Die Idee zu einem gewaltfreien Zentrum in Baden war im badischen Arbeitskreis Soziale Verteidigung entstanden, den der damalige Direktor der Evangelischen Akademie, Pfarrer Ullrich Lochmann ins Leben gerufen hatte. Nach den großen gewaltfreien Aktionen der Friedensbewegung Anfang der Achtziger Jahre , die mit zivilem Ungehorsam gegen die Stationierung der atomaren Mittelstreckenraketen gekämpft hatte, war der Wunsch groß, die Ideen und die Praxis des gewaltfreien Widerstandes systematisch weiterzugeben und weiterzuentwickeln. Der Trägerverein der damals gegründet wurde, trug den Namen „Gewaltfrei Leben Lernen“. Zwei Hauptamtliche arbeiteten in Büros in Freiburg und Heidelberg, entwickelten Seminare und Trainings und scharten einen großen Kreis von freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um sich. In der Anfangszeit waren Christoph Besemer und Renate Wanie für die Werkstatt tätig. Den Trainings in gewaltfreier Aktion folgten Ausbildungen in Mediation und in gewaltfreier Konfliktaustragung, Zivilcouragetrainings und viele andere Formate. Publikationen entstanden wie das Standardwerk zum Thema Mediation von Christoph Besemer oder der Sammelband „Gewaltfrei gegen Hitler“. Auch kirchliche Mitarbeitende wurden in gewaltfreier Konfliktaustragung geschult, u.a. in Württemberg und Bayern, aber auch Mitarbeitende der badischen Landeskirche profitierten von dem Wissen und den Seminarangeboten der Werkstatt.

Der Vorsitzende des Trägervereins, Pfarrer Dietrich Becker-Hinrichs, der dem Verein seit Jahrzehnten vorsteht, blickte voller Stolz auf die Jahre zurück, in denen die Werkstatt so viel Produktives auf dem Gebiet der Gewaltfreiheit geleitstet habe. Aber es blieb nicht nur bei der Rückschau und beim Feiern mit langjährigen Vereinsmitgliedern.

Aktuelle Themen standen bei dem Jahrestreffen in Freiburg im Mittelpunkt. Ein Aktivist der Gruppe „Letzte Generation“ berichtete über das Entstehen der Aktionsgruppe und begründete, warum jetzt ein Strategiewechsel angezeigt sie. So stark der Wunsch sei, aufzurütteln und die Menschen aus ihrem gewohnten Trott herauszureissen, wolle man sich doch die Sympathien in der Bevölkerung nicht verscherzen. Darum klebe man sich nicht mehr auf die Straße. Aktionen Zivilen Ungehorsames seien aber weiterhin notwendig. Die Politik reagiere viel zu langsam auf die globalen Bedrohungen des Klimawandels. Er kritisierte auch die völlig unterschiedliche Reaktion der Politik auf die massenhaften Blockaden der Bauern zu Beginn dieses Jahres und die Aktionen der letzten Generation.

Seine Ausführungen stießen auf Zustimmung bei den jungen aktiven Mitarbeitenden in der Werkstatt. Sie sind auch heute mit Aktionstrainings in ganz Deutschland unterwegs, in Lützerath und an anderen Brennpunkten. Ziel der Aktionstrainings, die die Werkstatt anbietet, ist es Gruppen handlungsfähig zu machen damit ihre Aktionen erfolgreich und zugleich gewaltfrei durchführen können. Wie in der Anfangszeit der Werkstatt sind auch die heutigen Aktiven in der Klimabewegung in festen Gruppen organisiert. Die Bereitschaft zum zivilen Ungehorsam braucht eine Gruppe, in denen sich die Menschen gut kennen und aufeinander vertrauen können.

Bei einem Referat von Barbara Müller von Institut für Friedensarbeit und Gewaltfreiheit wurde der Ruhrkampf im Jahre 1923 als ein Beispiel von Sozialer Verteidigung vorgestellt und kritisch beleuchtet. Auch heute gehe es darum, die Potentiale gewaltfreien Widerstandes als eine Alternative zur militärischen Verteidigung zu prüfen und fortzuentwickeln. Statt der beschworenen Kriegstüchtigkeit müsse man friedenstüchtig werden, so die Referentin. Die Werkstatt für Gewaltfreie Aktion sei auch im Jahre 2024 so notwendig wie zu ihren Anfangszeiten.